Trapperleben
Bei meinen indianischen Freunden wunderte man sich woher ich, der „White from Europe“ diese Skills wohl kannte, welche ich in den Jahren zuvor bei einigen Trappern lernen durfte.
Ich lernte natives Reiten und Jagen, ich lernte die Umgebung und die Tiere zu „lesen“. Ich erlebte Nächte am Feuer in denen man sich anschwieg und trotzdem hatten wir uns gedanklich ausgetauscht. Auch die archaische Nahrungszubereitung, bewährte Traditionen, Tabus und Demut lernte ich kennen. Ich danke der Schöpfung und allen Menschen welche mir diesen prägenden Lebensabschnitt ermöglichten.
Die Existenz eines professionellen Trappers ist ein Leben der Entbehrungen und Anstrengungen. Es erfordert viel Mut, aber auch eine erhebliche Zähigkeit, um die Gefahren eines solchen abenteuerlichen Daseins über Jahrzehnte zu überstehen. Nicht nur die Kälte, die Stürme, die Abgeschiedenheit gefährden sein Leben, er erlebt im Laufe der Jahre etliche gefahrvolle Situationen mit wilden Tieren.
Die Basis für ein Leben in der Wildnis liegt ganz klar und primär in den jagdlichen Fähigkeiten welche der Einzelne beherrscht.
Das ist wesentlich elementarer und bedeutungsvoller als die Herstellung von Talgkerzen, die Fellbearbeitung oder der Blockhausbau. Dem Nahrungsbedarf kann man sich auch in Notzeiten nicht entziehen.
Die Realität im kanadischen Busch hat wenig mit dem „Mann in den Bergen“ zu tun und egal was man für das Buschleben an know how mitbringt, man hat dort vieles zu lernen. Europäische Jagdtouristen wundern sich dort weil sie kein Wild sehen, sie sind Zuhause von einer künstlich erzeugten Wilddichte verwöhnt.
Der nächste Winter kommt bestimmt. Was dann, bei anderthalb Meter Schnee?
Hat man dann Hunde am Haus, so kommen auch die Wölfe in der Nacht und versuchen die Hunde von der Behausung wegzulocken, um sie dann zu erbeuten. Ein Vorrat von 300 – 400 Konserven sollte angelegt werden, damit man keinen Hungerwinter erlebt. Fleisch muß zur Aufbewahrung eingekocht, getrocknet oder geräuchert werden. Und die Winter sind sehr lang. Das Wasserholen beginnt mit Eishacken. Nun ist die Zeit der guten Pelze, das heißt für den Trapper, beinahe täglich seine Fallen auf einer seiner Traplines (Strecken) von je 10 – 15 Km zu kontrollieren, seine Beute zu bergen bevor Wolf u. Vielfraß sie wegschleppen. Die Schlingen und Fallen sind überwiegend entlang von Flüssen und Bächen installiert und vielfach lassen der dichte Strauch – und Baumbestand oder zerklüftetes Gelände den Einsatz von Motorschlitten nicht zu, dann muß der Tiefschnee mit Schneeschuhen bewältigt werden. Das alles lässt wenig Raum für Romantik. Ist der Schneefall heftig und die Schneedecke tief, so sind sämtliche Hirscharten und die Elche beinahe fluchtunfähig und damit den Wölfen eine leichte Beute. Im Folgejahr steigt die Wolfspopulation da die Nahrung so reichhaltig war. Somit erhöht sich der Nahrungsbedarf und wenn der Schnee des nächsten Winters weniger Tiefe hat und die Hirscharten und Elche damit leichter flüchten können, plündern die Wölfe und sonstige Predatoren die Fallen. Das stellt wiederum ein finanzielles Fiasko für den Trapper dar und wenn man bedenkt, dass in diesen sehr weiten, unbesiedelten Landstrichen kein anderer Broterwerb möglich ist, erklärt sich damit manches Buschdrama.
Einen Gemüsegarten anzulegen ist in nordischer Wildnis verschwendete Energie. Hat man Hühner am Haus (auch hinter Draht) so hat man sehr schnell jede Sorte der dortigen Predatoren an der Hütte, dann ist Ende mit Ruhe und Romantik.
Für Weiße ist die Jagd streng reglementiert und nur ein „Treaty“ darf immer und überall jagen und fischen. Erlegt man einen 400 kg Elch irgendwo im Sumpf (da stehen sie gerne knietief im Wasser), so ist man gesetzlich zur Bergung des Wildkörpers (auch in Teilen) verpflichtet.
Es hat schon seinen Grund, warum ausgerechnet im hohen Norden kaum Menschen allein in einer Blockhütte und als Selbstversorger leben. Täglich drohen Verletzungen (Beinfraktur) oder Erkrankung (Blindarm, Infektion) das kann lebensgefährlich sein. Soziale Kontakte pflegt man an ein oder zwei Tagen, während der vierteljährlichen Besorgungsstour. Im Winter bei extremer Kälte ist der Energiebedarf sehr hoch, besonders wenn man sich noch durch den Tiefschnee kämpfen muss. Forellen und Kaninchen haben aber nur mageres Fleisch, welches kaum über den langen Winter helfen wird. Außerdem benötigt man Vitamine. Man müsste gegen drohende Mangelerscheinungen schon viele rohe Innereien wie Leber, Herz und Hirn essen und z.B. innere Baumrinden und andere, nicht so schmackhafte Pflanzen kochen, wenn man genug Vitamin C und dergleichen zu sich nehmen möchte. Nach Jahren konnte ich beobachten wie manche Trapper zu Sonderlingen mutierten.
Die Einsamkeit und die harten Lebensumstände wirken mit der Zeit prägend auf diese Leute. Bob Wood legte seiner halbwilden Bobcat abends, im Schein einer Petroleumlampe die Karten und Mcilroy erklärte den Vielfraß zu seinem Nahrungskonkurrenten und verhassten Todfeind. Bei Vielen Buschleuten findet eine Werteverschiebung statt. Ich war mit einem sehr fähigen Trapper unterwegs. Dessen Survival – Kit beschränkte sich im Winter auf eine Mini-Flasche mit Petroleum. Damit wollte Murray, falls er sich auf seiner winterlichen Trapline eine Haxe bricht, den Busch anzünden damit er aufgrund des, zumindest für Piloten, weitsichtbaren Buschfeuers gefunden wird. Das sind ganz andere Maßstäbe als „das Licht ist weg, was mach ich jetzt?“ Über Jahre durfte ich mit solchen Menschen immer wieder die Sommer verbringen, Frühjahrsbären, Biber, Luchs, Vielfraß, Marder und Otter jagen. Die Felle wurden zur Herbstauktion geliefert und die Erträge mussten für ein Jahr das spartanische Leben finanzieren.
Ich lernte das schnörkellose aber effiziente Jagen, Oldstyle – Trappercabins, ohne Elektrogeräte und ohne jegliches Baumarktrelikt, in 4 bis 5 Tagen zu bauen.
Auch Schindeln zu schlagen, Skinnen und die wertvollen Felle schadensfrei zu bearbeiten durfte ich lernen. Dabei wurde mir erst der wirkliche Stellenwert eines guten Messers bewusst. Nach erfolgreichen Tagen holte Mcilroy abends seine Flasche zwanzigprozentigen, grünen Pfefferminzlikör aus seiner „Keller“ – Grube und goss uns sparsam ein. Bereits nach drei Glässchen wurde er ausgelassen und der ansonsten Geizige begann Kleinigkeiten zu verschenken. Ein besonderer Abend bleibt mir unvergesslich.
Morgens hatten wir erfolgreich gejagt. Zu diesem glücklichen Anlass gab es zu Mittag Mcilroys „selfcanned – Food“.
Das waren mit Elchfleisch und Schweinefett gefüllte Dosen, die zur Nachtzeit hin und wieder explodierten aber obwohl der Elch im nichts gekostet hatte, war er normalerweise zu geizig um von seinen 300 Dosen etwas zu verzehren.
Anschließend rodeten wir mit Hilfe seines Trapperkollegen Bob Wood mehrere, halbmeterstarken Baumstümpfe. Bob war ein etwa sechzigjähriger Halbindianer und lebte ca. 8 km entfernt, am gleichen Seeufer. Seine niedrige Hütte aus dicken, ungeschälten Baumstämmen hatte er zur Hälfte in den Berg gebaut. Das einzige Fenster war ca. 70 cm breit und gute 20 cm hoch. Als Fensterglas hatte er die Rückscheibe eines Pickup – Trucks eingebaut.
Als es dunkel wurde gingen wir in Mcilroy`s Cabin. Der Hüttenofen bestand aus einem 200 L Ölfass. In einer dunklen Ecke krächzte ein CB – Funkgerät welches von einer Autobatterie versorgt wurde. In der anderen Ecke stand ein Bettgestell mit Matratze. Mcilroy hatte seinen separaten Schlafraum. Da Bob wesentlich älter war als ich bot ich ihm das Bett an, während ich mich auf den Bretterboden legte. Er nahm auch dankend das Angebot an. Ich war gerade eingeschlafen als Bob wieder das Bett verließ und sich ebenfalls auf den Bretterboden legte. Vorher hatte er seinen Revolvergürtel um seinen 41 er Ruger gewickelt und dieses Gebilde als Kopfkissen genutzt. Ich fragte ihn warum er das Bett nicht nutze, darauf antwortete er mir mit bedenklicher Miene, dass er Sorge habe, aus dem ungewohnten Bett zu fallen und sich dabei einen Knochen zu brechen.
Weit nach Mitternacht hörte ich draussen das Bellen der beiden Bernhardiner, ich fühlte mich aber keineswegs veranlasst aufzustehen und nachzusehen was der Grund dieser Ruhestörung war, schließlich war Mcilroy der Hausherr.
Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht als Mcilroy erschien. Kein Western hatte mir jemals eine solche skurrile Figur gezeigt. Er trug einen rosafarbenen „Long John“ mit „Schublade“ also ein langärmeliges Unterhemd welches nahtlos mit der langen Unterhose verbunden war u. somit ein einziges Kleidungsstück darstellte. Der Gesäßbereich war aufklappbar und mit Knöpfen versehen. Seine ausgebeulten Knie endeten an den Schäften viel zu großer Gummistiefel. Sein Gesicht sah merkwürdig alt aus, während er fluchte sah ich, dass er ohne Gebiss war aber in der Hand hielt er einen gewaltigen 45er Ruger Blackhawk mit 10“ Lauf. Draussen fielen Schüsse aber es waren sehr merkwürdige Schüsse, das peitschende Geräusch war nicht zu hören, stattdessen machte es mehrfach plopp, plopp. Jetzt mussten Bob und ich aber ganz schnell vor die Hütte um dem Drama tatkräftig beizuwohnen. Mcilroy beschoss 3 oder 4 Stachelschweine welche im Mondlicht über die Lichtung watschelten. Er schoss die Trommel des riesigen Revolvers leer, hatte aber keinen Treffer zu vermelden. Als ich mich umdrehte stand Bob hinter mir und feixte verächtlich. Am nächsten Tag erfuhr ich von Mcilroy, dass er die Munition selbst geladen hatte und da er nicht nur sparsam sondern geizig war, hatte er die Pulverladung der Patronen um ein Drittel reduziert, daher also und zur Freude der Stachelschweine, das traurige Plopp.
Mittlerweile lebt Bob nicht mehr und nachdem Mcilroy, der 90 km von der Zivilisation lebte, von einer Horde betrunkener Ganoven überfallen und misshandelt worden war, verließ auch er für immer seine Hütte am „Big Lake“.