Kenny war der beste Trapper den ich jemals kennenlernte. Er war mittelgroß, hatte ein ruhiges Wesen und war bärenstark. Wenn andere Trapper eine jährliche Ausbeute von 8000,- can. erwirtschafteten, hatte Kenny in der gleichen Zeit das Doppelte und mehr verdient. Er war ein besonnener und sehr fleißiger Mann. Seiner Frau und den beiden Kindern war er ein guter Familienvater. Wenn in trauter Männerrunde ein derber Witz erzählt wurde, sah Kenny immer verlegen auf den Boden aber andererseits erfuhr ich von ihm, dass Captain Morgan nicht unbedingt ein Seefahrer ist. Dann las ich das:
IN BRITISH COLUMBIA: Bear Attacks Trapper DAWSON CREEK, British Columbia (AP) — Trapper Ken Sheen says his heavy clothes saved him from an attacking grizzly bear. „I had a heavy parka and a (ski) suit on, so it kept away a lot of bruises,“ he said in a telephone interview Sunday from Dawson Creek and District Hospital where he is being treated for puncture wounds in; his head and forearms. Sheen, 29, said the bear jumped him Friday as he checked his trap lines near his home of Groundbirch, 30 miles west of Dawson Creek in northeastern British Columbia. „He knocked me down, and I gave him my right forearm to chew on so he wouldn’t go for my stomach or head,“ Sheen said. „When he went for my stomach, I gave him my left arm to.
5 Monate später traf ich Kenny in Hudson`s Hope und er schilderte mir detailliert die gefährliche Begegnung.
Seine Trapline liegt an der östlichen Rocky Mountain – Flanke, in den vorgelagerten Foothills. Das Gebiet ist durchweg mit Pappeln und Nadelbäumen bewachsen. Die Schneedecke war etwa 30 cm hoch und das Thermometer zeigte ca. – 20° Celsius.
Er fuhr mit dem Motorschlitten auf seiner Trapline um turnusmäßig die ausgebrachten Fallen zu kontrollieren. Als das Gehölz zu dicht wurde stieg er ab und hing sein Kleinkalibergewehr über die Schulter. Damit wollte er einige Spruce Chicken (kanadische Schneehühner) für die heimische Küche schießen. Diese Hühnervögel gehören zur Familie der Fasanen und schmecken wie diese vorzüglich. In dem Robert Redford Film „Jeremiah Johnson“ sieht man wie eine indianische Frau diese Hühner mit geworfenen Kieselsteinen erlegt und das ist auch möglich. Die Tiere verlassen sich auf ihre Tarnung und ducken sich lediglich, so kann man ohne Mühe bis auf ca. 8 m an sie herantreten.
Im Busch führt Kenny normalerweise immer seine großkalibrige Jagdbüchse mit aber in diesen Wintermonaten drohte seitens der Bären keine Gefahr, da diese männlichen Tiere sich bis Mitte März im Winterschlaf befinden. Wie auch beim Homo Sapiens üblich, benötigen die Damen etwas länger, nämlich einen Monat. Normalerweise ist das eine zutreffende Erkenntnis aber da war ein etwa dreijähriger Grizzly dem das offensichtlich egal zu sein schien. Er hatte seinen Winterschlaf unterbrochen und seine Schlafhöhle verlassen.
Ohne das übliche Ankündigungs – und Drohgehabe griff der Bär ihn sofort an, auf dem kürzesten Weg und sehr schnell. Kenny sagte „like a mean Rottweiler“. Der Mann versuchte eine Douglasie zu erklimmen aber der Bär war sehr schnell bei ihm und riss Kenny in den Schnee, dabei schüttelte und schwenkte er den Mann „like a Doll“. Kenny trug eine extrem dicke Steppjacke wie man sie aus Rußland kennt und er meinte im Nachhinein, dass er auch wegen dieser dickgepolsterten Jacke die Bärenattacke überlebte. Kenny lag auf dem Bauch und der Grizzly versuchte ihm mit seinen Fangzähnen den Schädel zu zerdrücken, dabei biss und schabte er tiefe Wunden in Kennys Kopfhaut. Danach zerbiss der Bär Kennys schützenden, rechten Arm. Trotz der wahnsinnigen Schmerzen versuchte Kenny bewegungslos liegen zu bleiben. Auf keinen Fall wollte er sich von dem Grizzly umdrehen lassen. Seine Bauchseite musste er unbedingt der Erde zuwenden, da Grizzlys sowie auch Schwarzbären, es gerne versuchen ihrer größeren Beute die Bauchdecke aufzureißen um die Innereien als erstes zu vertilgen und das wäre Kenny`s sicherer und qualvoller Tod gewesen. Mittlerweile glaubte der Bär, dass seine Beute fluchtunfähig sei und scharrte Schnee und Geäst über ihn. So wollte er seine Beute konservieren, um sie später, wenn sie „reif“ ist, zu verzehren. Kenny schleppte sich nach geraumer Zeit auf allen Vieren zum Motorschlitten und schaffte es schließlich bis zur Straße, wo er dann aufgelesen wurde.
Wenige Wochen nachdem er das Hospital verlassen hatte ging Kenny zurück zum Unglücksort und konnte dort in der Nähe seinen Peiniger aufspüren, um ihn letztlich zu erlegen. Durch seine Erfahrung mit dem Menschen und seiner gefühlten Überlegenheit, war der Bär gefährlich wie eine tickende Zeitbombe und hätte, ohne Scheu, jedem arglosen Menschen nachgestellt.
Im Auftrag der Fish & Wildlife Branch wurde der Grizzly untersucht und man stellte fest, dass die Schmerzen einer entzündeten Zahnfistel den Bären aus dem Winterschlaf getrieben hatten und wegen der Schmerzen verhielt er sich, für einen jungen Bären untypisch, derartig aggressiv.
Der erfahrene Trapper hatte eine schmerzliche Lektion erfahren und geht seitdem nie mehr ohne seine Büchse in den Busch. Noch lange danach klopften ihm Viele die Schulter aber niemand wagte es, diesem Mann Ratschläge zu erteilen, die über ein „take care“ hinausgingen.